Reporter George Hogg (Jonathan Rhys Meyers) ist in Regisseur Roger Spottiswoods Aufguss des nach wie vor zugkräftigen Themas der Held wider Willen. 1937 rettet der Widerstandskämpfer “Jack” Chen (Chow Yun-Fat) Hogg, Augenzeuge der Verbrechen der japanischen Armee, vor der Hinrichtung. Gemeinsam mit der amerikanischen Krankenschwester Lee Pearson (Rhada Mitchell) errichtet Hogg in einem verfallenen Waisenhaus eine Schule für die sechzig dort hausenden Kinder. Lebensmittel erhandelt er von der pragmatischen Madam Wang (Michelle Yeoh), die sich wie Hoggs Unterstützerin Lee zu ihm hingezogen fühlt. Als die japanischen Besatzer näher rücken, treten der idealistische Hogg und Lee den hunderte von Kilometern langen Weg entlang der Seidenstraße an. Immerhin basiert alles auf tatsächlichen Ereignissen, den Erlebnissen des Britten George Hogg. Wie viele Filmschaffende vor ihnen, wollten die Drehbuchautoren James McManus und Jane Hawksley die Geschichte massentauglich umschreiben. Ihre Vorgehensweise enthüllt den bornierten Geist hinter dem menschelnden Rührstück. Die Gräueltaten der japanischen Armee empfand das Autorenduo anscheinend als nebensächlich, so beiläufig werden sie behandelt. Kommunistische Gesinnung ist schier unzumutbar. Die entscheidende Mitwirkung des neuseeländischen Schriftstellers und Lehrers Rewi Alley an der Rettung der Kinder unterschlägt der Film. Widerstandskämpfer und Mitglied der Kommunistischen Partei Alley wird nichteinmal erwähnt. Chow Yun-Fats fiktiver Charakter bezeugt zwar kurz seine kommunistische Einstellung, amerikanisiert aber zuvor seinen chinesischen Namen beruhigend zu “Jack”.
Vielleicht waren auch Neuseeländer den Produzenten nicht geheuer. Aus der wie Alley aus Neuseeland stammenden Krankenschwester Kathleen Hall, die Hogg mit Medikamenten und Nahrung versorgte, wird in “Die Kinder der Seidenstraße” die Amerikanerin Lee Pearson. Mit Hogg erlebt sie die unvermeidliche Liebesgeschichte. Schmerzlicher als sein Filmtod sind die schwülstigen Dialoge, mit denen Rhys Meyers Lee anschmachten muss. Weit interessanter ist die Zuneigung der Händlerin Madam Wang zu Hogg. Mit ihrem zurückgenommenen Spiel lässt Michelle Yeoh unter der kühlen Oberfläche mehr Emotionen glühen als es Rhada Mitchell mit schmelzenden Blicken vermag. Deren Filmfigur Lee Pearson hatte wiederum eine Beziehung zum chinesischen Widerstandskämpfer Chen, die scheiterte. Sowohl Lee und Chen als auch Madam Wang und Hogg ergeben dynamischere Konstellationen als die saubere rein weiß-amerikanische Beziehung von Krankenschwester und Widerstandskämpfer. Doch von kulturelle und gesellschaftliche Schranken sprengenden Verhältnissen schreckt Regisseur Spottiswood ängstlich zurück. Zu derartiger Anbiederung an den Massengeschmack passt die Idealisierung des Hauptprotagonisten George Hogg. Der war tatsächlich Abenteurer, der unternehmungslustige Sohn einer wohlhabenden Familie. Seine freiberufliche Journalistentätigkeit bauscht Spottiswood ungeniert zu wagemutiger Kriegsreportage auf.
Die abschließende Kompilation aus Interviews mit Überlebenden der Kindergruppe ist bewegender als das schwerfällige Drama. Hier deutet sich an, was für ein vielseitiges Material Roger Spottiswood verschenkt hat. Die an sich positive Beachtung, welche dem Leid der chinesischen Bevölkerung während des Krieges momentan im Kino zukommt, führt Spottiswoods “Kinder der Seidenstraße” in angepasste Familienunterhaltung. Im weit gelungeneren “John Raabe” gelang das ernsthafte Drama, als welches “Kinder der Seidenstraße” sich ausgibt, weit besser, doch der Film verschwand schnell aus den Kinos. Das für “John Raabe” ungerechte Schicksal, hat Spottiswoods Machwerk verdient.
Titel: Die Kinder der Seidenstraße – The Children of Huang Shi
Start: 8. Oktober
Regie: Roger Spottiswood
Drehbuch: James McManus, Jane Hawksley
Darsteller: Jonathan Rhys Meyers, Rhada Mitchell, Chow Yun-Fat, Michelle Yeoh
Verleih: 3rosen